Veröffentlichung der Berichterstattung des Landwirtschaftlichen Wochenblattes (Nr. 27/2023):
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, hat in seiner Grundsatzrede auf dem Deutschen Bauerntag in Münster Planungssicherheit für die Betriebe angemahnt und nach einer Regierung verlangt, die Sicherheit vermittle und Lösungen biete und dabei die Menschen mitnehme. Dies könne er derzeit nicht erkennen, sagte Rukwied mit Blick auf die Ampelkoalition. Dass er gleichwohl auf faire und sachliche Gespräche mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir setzt, verteidigte er. In der Aussprache gab es von Delegierten den Wunsch, auch einmal „reinzugrätschen“.
Rukwied sagte, dass sich die Lage für die gesamte Wirtschaft gewandelt habe. Die Attraktivität Deutschlands als Wirtschaftsstandort gehe zurück. Als Beispiel für fehlende Verlässlichkeit und mangelnde Mitnahme der Bevölkerung nannte er das Gebäudeenergiegesetz. Für den ländlichen Raum besonders kritikwürdig sei die zunächst geplante Nichtanerkennung von Holz als erneuerbare Energie beim Wärmekonzept. Der DBV-Präsident sieht die Bundesregierung in einer Berliner Blase, in denen Gender und Wokeness die Themen sind, die aber auf dem Lande kaum eine Rolle spielten. „Menschen müssen überzeugt und ihre Nöte ernst genommen werden. Sie wollen nicht oberlehrerhaft behandelt werden“, so der DBV-Präsident.
Konkret kritisierte Rukwied die Haushaltsberatungen der Bundesregierung und die befürchtete Kürzung des Etats für die Gemeinschaftsaufgabe um 400 Mio. Euro. „Das darf nicht umgesetzt werden.“ Er machte seine Zweifel deutlich, dass die Tierhaltung von der nationalen Politik noch gewollt wird. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir habe jetzt mit dem Gesetz für die Tierhaltungskennzeichnung eine Tür geöffnet. Allerdings müsse die Kennzeichnung schnell um weitere Produktgruppen erweitert werden. Außerdem müsse ein verpflichtendes Herkunftszeichen eingeführt werden. Angesichts von Meldungen über Empfehlungen von Ernährungswissenschaftlern zum Fleischverzehr forderte Rukwied eine freie Entscheidung bei der Ernährung. Eine freie Wahl beim Essen hatte Özdemir in seiner Rede unterstützt.
Rukwied erneuerte auch seine Kritik an der mangelhaften Ausgestaltung der Öko-Regelungen. Wie vom Bauernverband befürchtet, seien die Mittel bundesweit nur zu 61 Prozent ausgeschöpft beziehungsweise beantragt worden. „Auch ich konnte nichts beantragen, weil das Angebot nicht passt.“ Der DBV habe ein Grundsatzpapier für eine bessere Attraktivität der Öko-Regelungen entwickelt. Rukwied forderte die anwesenden Politikern dazu auf, es umzusetzen.
Außerdem gab der DBV-Präsident ein Bekenntnis zu den Zielen des Green Deals ab. „Wir sagen ja zu mehr Klimaschutz, Tierschutz und Nachhaltigkeit. Aber nur, wenn vernünftige Perspektiven für die Landwirtschaft aufgezeigt werden.“ Der Bauernverband sei dabei Lösungsanbieter für diese großen Fragen. Beispielhaft nannte er hier Gespräche mit dem EU-Kommissar Frans Timmermans. Er habe ihm verdeutlicht, dass die Landwirtschaft mehr tun will. Der Ansatz Brüssels, Pflanzenschutzmittel in sensiblen Gebieten zu verbieten, sei aber falsch. „Wir wollen einen kooperativen Naturschutz, der auch honoriert wird“, bekräftigte Rukwied.
Mit Blick auf den Klimaschutz brauche die Landwirtshaft auch den entsprechenden Werkzeugkasten. Das sind für Rukwied Pflanzenschutzmittel, die nötig sind für eine klimaschonende Minimalbodenbearbeitung sowie neue Züchtungsmethoden. Eine Patentierung von Pflanzen mache der Bauernverband jedoch nicht mit, „das ist die rote Linie“. Rukwied forderte auch die Verwendung von Biodiesel und Bioethanol, um die Emissionsziele zu erreichen. Hierbei müsse die Politik Ideologie beiseitelassen. Zudem wiederholte er seine Kritik an den Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten. Hier müssen gleiche Standards in der landwirtschaftlichen Produktion herrschen, ansonsten entstünden durch den freien Import Wettbewerbsverzerrungen. Große Sorgen machen ihm die Sonderkulturbetriebe mit Blick auf die weiter steigenden Mindestlöhne in Deutschland. Eine Sonderregelung für Saisonarbeitskräfte, aus dem Kreis der Delegierten wurde ein Mindestlohn vorgeschlagen, der sich an den Herkunftsländern orientiert, habe man schon mehrfach vergeblich gefordert. Unterdessen fordert der Bauernverband eine europäische Regelung, um Wettbewerbsgleichheit herzustellen.
Sehr deutlich wurde Rukwied beim Thema Wolf. „Der Erhaltungszustand ist längst erreicht. Es wäre ein Leichtes, dies nach Brüssel zu melden. Ich kann nicht verstehen, wie man den Bauern weiter gerissene Tiere zumutet.“ Der DBV-Präsident wiederholte die Forderung, PV-Anlagen auf Dächer, Parkplätze oder an die Ränder von Autobahnen zu installieren, nicht aber auf gute landwirtschaftliche Flächen.
Den Wunsch des hessischen Delegierten Norbert Klapp, der DBV solle beim Umgang mit der Politik auch mal reingrätschen, könne er nachvollziehen, sagte Rukwied. Verbandspolitik sei aber jeden Tag ein Balanceakt. „Wenn ich mein Gegenüber verletze oder provoziere, wird er nicht mehr mit mir reden.“ Özdemir habe bekannt, dass der DBV erster Ansprechpartner ist. Das Gleiche gelte für die Brüsseler Kommission. Hier sei der direkte Zugang nur wenigen Verbänden möglich. „Das soll auch so bleiben.“ (CM).