Liebe Mitglieder des landwirtschaftlichen Berufsstandes, sehr geehrte Mitbürger,
am kommenden Sonntag feiern wir Erntedank. Wie schon im vergangenen Jahr hatten wir geplant, das Landeserntedankfest des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V. im Rahmen des Bauernmarktes in Rammstein zu veranstalten. Es hat sich zu einer schönen Tradition entwickelt, den ökumenischen Dankgottesdienst mit einem Fest zu verbinden, bei dem die vielfältigen Erzeugnisse der Landwirtschaft im Vordergrund stehen. Aufgrund der Corona-Pandemie haben sich die Verantwortlichen vor Ort dazu entschieden, den Bauernmarkt auch in diesem Jahr nicht stattfinden zu lassen – eine absolut nachvollziehbare und verantwortungsvolle Entscheidung. Das bedeutet, dass unser zentrales Erntedankfest ebenfalls noch einmal pausieren wird.
Vor diesem Hintergrund möchte ich den Blick nach Übersee werfen. In den Vereinigten Staaten wird alljährlich am vierten Donnerstag im November Thanksgiving gefeiert. Diese Form des Erntedankfestes weicht zwar vom Ursprung und den Bräuchen stark von der hiesigen Tradition ab, aber im Mittelpunkt steht auch der Dank für die Ernte. Begangen wird das Fest mit einem ausgiebigen Essen, bei dem die ganze Familie, egal wie verstreut sie über das ganze Land ist, an einem Ort zusammenkommt. Die Bedeutung des Festes wird auch damit unterstrichen, dass es sich um einen nationalen Feiertag handelt und erreicht damit auch kirchenferne Bevölkerungsgruppen.
Das Erntedankfest in der amerikanischen Form zeigt deutlich, dass Essen – und damit das Ergebnis der täglichen Arbeit in den landwirtschaftlichen Betrieben – mehr ist, als Nahrungsaufnahme. In den aktuellen politischen Diskussionen wird oft über Umwelt-, Klima- und Biodiversitätsleistungen der Landwirtschaft gesprochen, die stärker in den Vordergrund rücken sollen. Ich möchte an dieser Stelle aber auf eine weitere Facette hinweisen. In ausreichender Menge vorhanden, sind Lebensmittel die Grundlage für Geselligkeit und Austausch, ein verbindendes Element der Gesellschaft und darüber hinaus Basis für ein friedliches Miteinander. In der Geschichte der Menschheit war es in vielen Fällen schlichtweg der Mangel an Lebensmitteln und Hunger, der zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt hat.
Die Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in rasanter Geschwindigkeit weiterentwickelt. Die Erträge wurden gesteigert, das Risiko von Ernteausfällen konnte deutlich reduziert werden, die Menschen in Deutschland brauchen sich um die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln keine Sorgen zu machen. In jüngster Vergangenheit gab es mit Blick auf die Witterung mehrere Jahre, die vor nicht allzu langer Zeit zu erheblichen Ertragsverlusten bis hin zu vollständigen Missernten geführt hätten. Das Erntedankfest sollte daher auch Anlass sein, sich bewusst zu machen, in welch privilegierter Situation wir in Deutschland leben dürfen und welchen Anteil die moderne Landwirtschaft und die darin tätigen Menschen daran haben. In diesem Jahr vielleicht bei einem gemeinsamen Essen in der Familie, bevor wir im kommenden Jahr hoffentlich wieder alle zusammen in den Kirchen und auf Festen feiern können.
Ihr
Eberhard Hartelt
Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V.